Schwierige Frage:

„Welchen Oldtimer soll ich kaufen?“

Wir auto-illustrierte-Redaktoren gelten auch als Oldtimerexperten und werden daher oft gefragt: „Welchen Oldtimer soll ich mir kaufen?“ Die Antwort ist allerdings extrem schwierig und befriedigt selten. Daher gibt es als Antwort eine Gegenfrage: „Welcher Oldtimer-Typ bist Du?“ Das ist zumindest der Versuch, einer Antwort etwas näher zu kommen ...

Veröffentlicht am 19.02.2022

Welcher Oldtimer-Typ bist Du?

 

1. Der Träumer

Es ist das Auto, mit dem wir durch die Kindheit geschaukelt wurden. Der Geruch, das Motorgera?usch, vielleicht das glänzende Emblem: Vieles hat sich tief und unverrückbar ins Unterbewusstsein eingegraben und beschäftigt uns seit Jahrzehnten. Jetzt ist es endlich so weit und wir können uns die Kindheitserinnerungen zurückkaufen. Lukas Kistler hat das Auto seiner Kindheit, einen Buick Special (ai 02/2021) von 1964, nicht gekauft, sondern direkt vom Vater weitergereicht erhalten. Mit diesem Auto ist er nicht nur gross geworden, es hat ihn sein ganzes bisheriges Leben begleitet. Ein Ende ist nicht abzusehen. Kommt Ihnen das bekannt vor, sind Sie vielleicht auch «der Träumer».

 

2. Der Bewunderer

Die Frage, warum jemand auf eine bestimmte Marke oder einen Typ gekommen ist, ha?ngt oft mit einem pra?genden Kindheitserlebnis zusammen. Es kann der reiche Onkel mit seinem dicken Mercedes, der Freund der grossen Schwester mit seinem Porsche oder eine andere Automobilbegegnung sein, die einen so beeindruckt hat, dass wir uns schon als Kind geschworen haben: «Wenn ich mal gross bin kaufe ich mir auch so einen.»  Haben Sie das auch so empfunden?

 

3. Der Ausbrecher

«Papa, darf ich den Autoschlüssel haben?» Es ist doof, die frisch kennengelernte Flamme mit dem Töffli oder Motorrad abzuholen, aber Vater ist mal wieder stur. Das erste eigene Auto ist längst überfällig, selbst wenn es nur ein billig geschossener Döschwo oder Käfer aus achter Hand oder der zum Wohnmobil umgebaute Handwerker-Bulli ist. Er ist quasi das «Ausbruchswerkzeug» für den Ausgang am Wochenende, die erste Ferienfahrt nach Griechenland mit dem Zelt auf dem Dach – und so manch anderes automobile Erlebnis. Das erste Auto macht einen erst richtig flügge. Toll, wenn man diese schöne Zeit mit dem Kauf eines identischen Modells lange, lange Zeit später wieder au eben lässt.

 

4. Das Genie

Es hab immer Autokonstrukteure, die anders gedacht haben als alle anderen. Manchmal waren es echte Vorausdenker, die Autos erfunden haben, die weit in die Zukunft gewiesen haben: Citroën, Panhard, Saab oder Lotus. Oft waren es aber auch Konstruktionen, die in die Sackgasse führten und Fragen beantworteten, die kein Mensch gestellt hat, verkannte Genies wie etwa Preston Tucker oder die gut gemeinte, aber nicht richtig umgesetzte Versuche wie der DeLorean DMC12 (Foto). Wer heute beispielsweise einen Citroën DS fährt, huldigt einer genialen Konstruktion, der vorher und nachher kaum ein Auto das Wasser reichen konnte oder das die Umwelt missverstanden hat. Das Genie färbt natürlich auf den Besitzer ab, auch er ist ein Querdenker und Idealist abseits vom Mainstream. Sie auch?

 

5. Der Retter

Es gibt Autos, die niemand geliebt hatte, als sie Neuwagen waren. Dennoch erbarmen sich viele Old- und Youngtimerliebhaber und verhelfen einem Mazda 929, Alfa Arna oder Lancia Lybra zu einem warmen Plätzchen in der Garage. So etwa Marcel Maier, der seinen Peugeot 309 um kein Geld der Welt gegen ein neues Auto tauschen möchte. Er fährt ihn nun schon seit vielen Jahren umd muss sich oft rechtfertigen, warum er sich keinen «schönen» Oldtimer oder Youngtimer kauft. Schliesslich gäbe es ja etwa den Peugeot 205 GTI. Aber gerade Retter wie Marcel sorgen für das Überleben dieser vom Aussterben bedrohten Spezies. Möchten Sie auch etwas Gutes tun und einem unbeliebten und verstossenen Modell eine Zukunft bieten?

 

6. Der Archäologe

Die Altertumsforschung beim pferdelosen Wagen, quasi die Urgeschichte des Automobils, ist in etwa so geläufig wie das Studium ägyptischer Mumien – und in der Oldtimerwelt genauso verbreitet. Das kann Helmut Kühnis bestätigen. Ausser wenn es hagelt oder schneit, fährt er als Alltagsauto – und nicht als Hobby! – einen Ford T (ai 09/2019) von 1919 und gilt auch als Kenner dieser Spezies, den ersten Benzinkutschen und direkten Nachfahren der Hippomobile mit Haferantrieb. Diese Pionierfahrzeuge belegen nicht nur die entscheidende Phase auf dem Weg zur mechanischen Fortbewegung, sie dokumentieren auch die Irrungen und Wirrungen, bis wir zu unseren heutigen Autos gefunden haben. Und wann graben Sie Ihre erste Mumie aus?

 

7. Der Racer

Ein historischer Rennwagen ist oft berühmt, hat legendäre Rennfahrer hinter seinem Lenkrad beherbergt, goldene Medaillen und glänzende Pokale eingefahren. Hat man selbst den Beruf des Autorennfahrers verpasst und ist auf andere Art zu Kleingeld gekommen, wirft man sich in den historischen Rennoverall und riecht ein ganzes Wochenende nach Fangio oder Siffert. Bei Revivals und Memorials strahlen Ruhm und Ehre von echten Renngrössen auf den Piloten ab, auch wenn er den Haudegen von einst das Wasser in keiner Weise reichen kann. Daher unsere Frage: Werden Sie auch ab und zu vom Rennfieber gepackt?

 

8. Der Gralshüter

Das Auto aller Autos, der Meilenstein, der Urvater, der ultimative, der heilige Gral – viele Modellreihen kennen sie. Entweder sind es die ersten Chassisnummern oder Einzelstücke, Wagen mit besonderem historischem Wert und/oder berühmten Vorbesitzern. Oft steckt im Begehren ihrer Besitzer nicht nur das «Haben». Meist begleitet sie auch ein starkes Bewusstsein um die Verantwortung, die ihnen durch den Besitz eines solchen Autos auferlegt worden ist. Ein gutes Beispiel ist der SS Cars S.S. 90 (ai 06/2020) von Philipp Husistein. Es ist der erste verkaufte Sportwagen der Firma, die kurz darauf mit dem Namen Jaguar berühmt wurde. Und Husistein hat nicht nur einen auserlesenen Geschmack für feine Automobile, der Architekt ist auch ein ausgewiesener Spezialist für Denkmalpflege – eine ideale Kombination. Passt das auch für Sie?

 

9. Der Ein-Auto-Mensch

Sie machen sich die schnelllebige und verkaufsorientierte Autoindustrie zum Feind: «Ein- Auto-Menschen», die ihr erstes Auto, das sie gekauft haben, immer noch besitzen. Vielleicht steht es
in Scheune oder Keller und wartet auf die Wiedererweckung durch einen solventen und geduldigen Restaurator, vielleicht den Enkel. Wir kennen auch ältere Herrschaften, die Autos über sehr lange Zeit nutzen, immer wieder reparieren, zwischendurch mal restaurieren und neu lackieren. Oder nochmals das exakt gleiche Modell kaufen, damit sich das erste Exemplar nicht so schnell abnutzt. Oder Menschen, die von einem bestimmten Typ dermassen überzeugt sind, dass sie ihn gleich in mehreren Exemplaren besitzen und ihn niemals durch ein anderes Modell ersetzen würden. Sind Sie auch ein «Ein-Auto-Mensch»?

 

10. Der-immer-noch-keinen-Oldtimer-hat

In Oldtimerkreisen ist er berüchtigt: der Möchtegern, der jedem erzählt, was er früher mal gefahren sei und dass er so etwas gerne wieder sein Eigen nennen würde. Sagt man ihm, dass gerade ein Freund das passende Auto günstig abzugeben hätte, nimmt er sofort Reissaus. So dringend ist der Wunsch jetzt auch wieder nicht – und erzählt dem nächsten «Opfer» wieder die gleiche unerfüllte Sehnsuchtsge- schichte. Es gibt Tausend Gründe, sich keinen Oldtimer zu kaufen: der mangelnde Platz, das liebe Geld, die gefürchteten Reparaturen, die fehlende Zeit, die Ausbildung der Kinder nicht zuletzt die protestierende Gattin. Dann lasst uns doch einfach in Ruhe und fahrt weiter eure Leasingfahrzeuge, während wir uns an unseren rostenden und herrlich unvollkommenen alten Vehikel erfreuen. Zu dieser Spezies möchte wohl niemand gehören.  Sie auch nicht, oder?

 

11. Die Familienbande

Man ist entweder der Spross einer Autohändlerdynastie oder hat aus irgendwelchen anderen Gründen zu einer bestimmten Marke gefunden. Die ganze Familie ist dadurch vom gleichen Virus befallen. Ein gutes Beispiel ist die Opel-Familie Huwyler (ai 05/2020). Stefan Huwyler und seine Brüder besitzen unter anderem einen seltenen Manta T.E. 2800, seine Tochter Sabina den giftgrünen Manta B. Dazu gesellt sich eine Flotte von rund 30 Opel aller Couleur. Eine andere Marke kommt den Huwylers nicht ins Haus. Wir finden das cool und freuen uns, dass die schönen Autos hoffentlich an weitere Generationen weitergereicht werden. Sind Sie auch ein solcher Familienmensch?

 

12. Der Investor

«Gerade habe ich mir einen Ferrari gekauft.» «Welches Modell?» «Keine Ahnung, er ist rot und hat eine Million gekostet.» Sehr teure Oldtimer sind für schwerreiche Investoren nebst Gemälden, Aktien und Immobilien gute Möglichkeiten, noch viel mehr Geld anzuhäufen. Die Objekte selbst interessieren sie gar nicht, nur deren Wertzuwachs. Es gibt aber auch Oldtimerfahrer, die sich mit einem Fahrzeug in die Szene einkaufen, weil im entsprechenden Club und bei dessen Ausfahrten am Wochenende womöglich neue Geschäftsbeziehungen geknüpft werden können – wie beim Golfen. Oder weil es einfach zum guten Ton gehört, etwas Seltenes und Teures auf vier Rädern zu besitzen. 

 

13. Der Durchlauferhitzer

Sein Platz ist unter dem Auto, nicht hinter dem Lenkrad. Sieht er ein Restaurierungsobjekt, kauft er es, bringt es in Schuss und sobald es fahrbereit ist, macht es ihm keinen Spass mehr – weil es ja fertig ist, so schnell nicht wieder kaputtgeht und daher keine Herausforderung mehr darstellt. Ein Oldtimerfreund kauft es ihm ab, was ihm Devisen für ein neues Projekt verschafft. Solche «Durchlauferhitzer» sind sehr wichtig für die Szene, da sie auch hoffnungslose Fälle wieder auf die Strasse bringen und so der Artenvielfalt dienen – und weil sie keine Angst vor öligen Fingern haben. Haben Sie doch auch nicht, oder?

 

14. Der Horter

Mancher Sammler kann einfach nichts wegwerfen, hat nebst unzähligen, meist nicht fahrbaren Autos des gleichen Typs oder der gleichen Marke auch noch ein halbes Dutzend Vorderstossstangen, fünf Heckdeckel, drei Seitenscheiben links und 31 Radkappen aller fünf Versionen eines Typs zu Hause gestapelt, dazu eine Unzahl Prospekte, Bücher und Modellautos über ein einziges Thema. Die Familie ist meist unglücklich oder hat sich bereits verabschiedet, weil jeder Franken ins Hobby investiert wird und für Ferien oder neue Kleider kein Geld vorhanden ist. Logisch, dass keine solch tragische Figur vor die Kamera will, aber sicher kennt jeder einen Horter in seinem engeren oder weiteren Umfeld. Sie gehören bestimmt nicht dazu ... 

 

15. Der Recycler

Ist ein Auto für den Strassenverkehr unrettbar verloren, kommt es normalerweise auf den Schrott. Aber es gibt bessere Alternativen. Oft werden Oldtimer als Spielwiese für Kinder oder Lebensraum
für Hühner oder Kaninchen weiterverwendet. Cabrios eignen sich prima als Swimmingpool oder Gartenbeet. Wer mo?chte, bastelt sich aus seinem Ex-Auto eine Gartenlaube, einen Hobbyraum oder eine Sauna (Foto). Baut man den Motor vorher aus, braucht man dazu nicht mal eine Baubewilligung, denn das Ding hat ja Räder und gilt daher nicht als Gebäude, sondern als Fahrzeug. Etwas weiterhin zu nutzen, anstatt es wegzuwerfen, ist praktizierter Umweltschutz oder auf Neudeutsch: «Upcycling». Wäre das ein Zugang zum Oldtimer für Sie?

 

So, wir haben jetzt mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und womöglich sind Sie jetzt noch verwirrter als vorher. Aber vielleicht helfen die 15 Beispiele bei der Entscheidungsfindung. Die Zeit eilt, denn bald ist Frühling – und damit Oldtimersaison. 

 

Text: Stefan Fritschi & Martin Sigrist
Fotos: Archiv auto-illustrierte (14), gardeon.at (1)

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