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Ssangyong Korando e-Motion – der grosse Unbekannte

Mit dem vollelektrischen Ssangyong Korando e-Motion wollen die krisengebeutelten Koreaner aus der Insolvenz fahren. Das Auto an sich ist gut, doch die Übernahmemodalitäten hinter den Kulissen sind noch nicht unter Dach und Fach.

Veröffentlicht am 11.03.2022

Die Passanten sind unschlüssig. Ein Stromer klar, allein das deutsche E-Kennzeichen und die blauen Akzente deuten unmissverständlich darauf hin. Doch welcher Marke und vor allem: welches Modell? Der Ssangyong Korando e-Motion wirft bei seinem ersten Auftritt in der Frankfurter Innenstadt viele Fragen auf.

Der Korando ist mit Diesel- und Benzinmotoren schon lange im Markt angekommen

Seit gut zweieinhalb Jahren ist die C300-Generation des Ssangyong Korando im Handel. Die Verkaufszahlen sind nicht zuletzt durch die Corona-Krise hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Der neue e-Motion soll es nun richten als erstes batterieelektrisches Fahrzeug der Marke.

Am Grundkörper ändert sich nichts, es bleibt bei der 4,47m langen Kompakt-SUV-Karosse. Nur in Nuancen, eben jenen blauen Anbauteilen, unterscheidet er sich vom konventionell befeuerten Bruder. Höchstens an der Front kann ihn gut erkennen, die sich aerodynamisch glatt und geschlossen präsentiert.

Effizientes Energiemanagement und solide Batterieleistung mit 340km Reichweite

Die strömungsgünstige Verkleidung hilft der Reichweite, die nach Norm mit 339 Kilometern angegeben wird. Ein Wert, den das LG-Akkupack mit 61,5kWh Kapazität im Alltag gut erreichen sollte. Auf der ersten Testfahrt erreichten wir bei eher flotter Fahrt und kalter Aussentemperatur 22,1kWh/100km. Der Verbrauch fällt also relativ gering aus, was vor allem am guten Energiemanagement des Ssangyong Korando e-Motion liegt.

Dank serienmässiger Wärmepumpe fällt das elektrische Heizen des Innenraums nicht mehr so stark ins Gewicht wie auch schon. Das digitale 12,3-Zoll-Instrumentarium weist meist Werte unter einem Kilowatt Leistungsaufnahme aus. Der Eco- oder gar Eco Plus-Modus muss entsprechend selten bemüht werden. Im Comfort-Modus steht neben der vollen Heizleistung auch die volle Dynamik des Antriebs zur Verfügung.

Sportliches Temperament trifft auf kommodes Fahrwerk

Mit einer Leistung von 190PS und 360Nm ist der Ssangyong Korando e-Motion durchaus kräftig motorisiert. Allerdings ist er mit knapp 1‘900kg auch kein Leichtgewicht. Dennoch bringt ihn der Elektromotor zügig auf Touren, das Prospekt notiert nur 8,5 Sekunden für den Standardsprint. Allerdings ist etwas Feingefühl im Fuss gefragt, denn die Vorderachse verliert relativ schnell die Haftung.

Die Fahrwerksauslegung des Koreaners ist voll dem Komfort verpflichtet. Die zentral und tief montierte Last des Batteriepakets hilft der Federung wunderbar und hält trotz weicher Dämpfung die Aufbaubewegungen moderat. Allerdings darf man keinen Sportsgeist vom Fahrwerk erwarten. Vor allem die Traktion der Vorderachse wirkt unter der ansatzlosen Kraft des E-Motors angestrengt.

Umfassende Assistenzsysteme und gutes Digital-Cockpit locken Tech-Freunde

Unter dem Namen „Deep Control“ fasst Ssangyong seine Fahrerassistenzsysteme zusammen, die allesamt fehlerfrei funktionieren. Ausser vielleicht der überambitionierte Warngong, der im immer gleichen Ton auslöst, egal ob Geschwindigkeitsüberschreitung, Auffahrwarnung oder Spurwechselunterstützung. Aber er lässt sich in den Tiefen des Bordmenüs abschalten. Wie überhaupt das digitale Instrumentarium durch hohe Auflösung und volle Individualisierbarkeit begeistert.

Dies hat allerdings seinen Preis. In der getesteten Titanium-Topausstattung kostet der Ssangyong Korando e-Motion 45‘990 Franken. Damit ist er zwar günstiger als die elektrische Konkurrenz, aber weit weg von einem Sonderangebot. Trotz siebenjähriger Garantie dürften viele Kunden den Unbekannten deshalb in Frage stellen.

Firmenzukunft hängt von Gläubigerentscheidung ab, Ausgang ungewiss

Wie ein Damoklesschwert hängt auch der Gläubigerentscheid über der Zukunft der Marke. Schien man mit Edison Motors im vergangenen Jahr einen Käufer für die insolvente Marke gefunden zu haben, ist Stand heute (09.03.2022) alles wieder offen. Denn eine Gruppe von Kleinanlegern hat sich dem Branchenblatt Korean Herald nach gegen den Sanierungsplan von Edison entschieden und pocht auf eine gläuberfreundlichere Lösung. Damit wäre der Ausgang der Übernahme offen und Ssangyong würde sich weiter unter der staatlichen Obhut eines Insolvenzverwalters bewegen müssen.

Dass die auf Produktion und Vertrieb keinen Einfluss hat, haben die vergangenen Jahre gezeigt. Allerdings dürfte es psychologisch schon einen Einfluss auf die Käufer haben, wenn die Zukunft der Marke ungewiss bleibt. Und so gilt nicht nur für den Korando e-Motion, sondern ganz Ssangyong: der grosse Unbekannte.

Text: ai-online-Redaktion/DF/FM
Bilder: Hersteller

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