Test

Mercedes EQE 350+ - Perfektionist

Mercedes hat sein elektrisches Portfolio weiter ausgebaut. Nach dem EQA, EQB, EQC, EQV sowie dem EQS folgt der EQE. Vieles spricht für ihn sowie für seine Effizienz und Nachhaltigkeit. Wir haben die elektro-E-Klasse ausführlich getestet.

Veröffentlicht am 20.11.2022

Nur das geschulte Auge kann den EQE vom EQS sofort unterscheiden. Die optischen Differenzen sind minim. Vor allem die Grösse verrät, um welches Modell es sich handelt. Die Familienlimousine wird gewissermassen zum Elektropendant der E-Klasse und ist mit ihrer Dynamik und ihrem Komfort ein starker Konkurrent auf diesem Markt. Doch kannibalisiert der EQE nicht sogar seinen grösseren Bruder, den EQS? (Über 1000 Kilometer Reichweite im Mercedes EQXX.)

Wirklich ein Mini-EQS?

Der 4,95 Meter lange EQE ist zwar 25 Zentimeter kürzer als sein grösserer Bruder, sein Auftritt ist jedoch mächtig. Tatsächlich handelt es sich beim EQE um einen Mini-EQS. Abgesehen von der quasi identischen Front und dem fast gleichen Heck bringt auch die Seitenansicht keine wirklichen Änderungen mit sich. Mit seinem neun Zentimeter kürzeren Radstand ist der Fahrgastraum ebenfalls fast gleich geräumig – zur Freude aller Piloten und CoPiloten.

Nur die hinteren Gäste könnten merken, dass es im EQE etwas weniger Platz hat. Das in der Kabine erhaltene Volumen geht zwangsläufig an anderer Stelle verloren. Darunter leidet der Kofferraum am meisten. Mit nur 430 Litern Volumen gegenüber den 610 Litern aus dem EQS ist er nicht viel voluminöser als der eines guten Kompaktmodells. Dass man jedoch irgendwo einen Kompromiss eingehen muss, ist ebenfalls klar.

Einsteigen, losfahren

Um einsteigen zu können, muss man lediglich die bündigen Griffe betätigen, die sich automatisch ausfahren, sobald man sich dem Fahrzeug nähert. Einmal drinnen möchte man kaum wieder raus. Wie man es von den Sternenbauern kennt, ist alles unglaublich aufgeräumt, futuristisch und schön. Zugegeben, unser Testwagen hat zwar keinen Hyperscreen, jedoch einen zentralen 12,8-Zoll-OLED-Touchscreen, der im Querformat angeordnet ist. Vor den Augen des Fahrers beherbergt ein 12,3 Zoll grosser LED-Bildschirm die Instrumentierung.

Die beheizbare, belüftete und massierende Polsterung unseres Test-EQE ist offensichtlich sehr komfortabel, auch wenn es nicht auf Anhieb einfach ist, in den vielfältigen Einstellmöglichkeiten die richtige Sitzposition zu finden. Überhaupt braucht man anfänglich etwas mehr Zeit, um sich im Menü zurechtzufinden. Sind Mittelchen und Weg gefunden, findet man sich schnell zurecht, sodass die Bedienung keine grossen Hindernisse mehr darstellt. In Sachen Materialien ist der Innenraum paradoxerweise weniger plastisch als beim EQS, auch wenn das Armaturenbrett aus Holz nicht jedermanns Sache ist.

Und nun wirklich losdüsen …

Starten wir mit der Rekuperation des Mercedes EQE. Wie bei den anderen Fahrzeugen aus der EQ-Modellreihe wird die Stärke der Bremsenergierückgewinnung über die Paddles hinter dem Lenkrad festgelegt. Und dies macht nicht nur Sinn, sondern ist auch sehr effektiv, da die Intensität je nach Gusto eingestellt werden kann – und dies bis zum Ein-Pedal-Fahren. Die Folge: Man kommt sehr weit mit dem Mercedes-Stromer.

Die Herstellerangabe liegt bei 639 Kilometern. Mit einer Ladung, inklusive Autobahn, Landstrasse und sogar Passstrassen, haben wir stolze 601 Kilometer hinbekommen. Und das ohne grosse Anstrengungen. Natürlich wurde jedes Mal beim Bergabfahren rekuperiert, das gehört sich auch so. Gepaart mit all seinen Fahrassistenzen sowie dem autonomen Fahren der Stufe 2 ist das von Mercedes angebotene Gesamtpaket wohl eines der besten auf dem Markt. Wie bereits angedeutet ist der EQE viel dynamischer als der EQS. Ebenfalls ausgestattet mit einer Allradlenkung, die das Manövrieren in der Stadt vereinfacht, ist das etwas kürzere, leichtere und mit einem weniger grosszügigen Radstand als der EQS ausgestattete Auto auch unter schwierigen Bedingungen sehr gut zu handeln.

Aus der herkömmlichen Steckdose kann der EQE mit bis zu 11 kW, mit optionalem Ladegerät sogar mit bis zu 22 kW geladen werden. Und an Schnellladern empfängt der EQE im Peak bis zu 170 kW. Bei dieser Laderate dauert es etwas mehr als 30 Minuten, um bis zu 80 Prozent aufnehmen zu können. In Anbetracht seiner Reichweite sind das sehr gute Zahlen. Auch in der Praxis beweist er, dass es sich beim E-Benz um einen zügigen Genossen handelt. Wir erreichten am Schnelllader turbomässige 168 kW und konnten so bereits nach rund 20 Minuten wieder eine Strecke von über 400 Kilometern unter die Räder nehmen. Ohne dass der Verbrauch gross anstieg, pendelte sich der Mix bei 17,5 kW/100 km ein.

Satte Fahrleistungen

Laut Hersteller liegt die Höchstgeschwindigkeit des EQE bei 210 km/h. Auf deutschen Autobahnen erreichte er diese spielend. Mit seinen 565 Nm sowie den 292 PS beschleunigt der Benz seine doch immerhin rund 2,4 Tonnen Lebendgewicht in zügigen 6,4 Sekunden auf 100 km/h. Standfeste Bremsen sorgen überdies für eine zünftige Verzögerung. Einzig von der Lenkung wünscht man sich dann gerade in der Mittellage etwas mehr Rückmeldung. Aber wer bessere Bremsen, mehr Leistung und ein sportlicheres Design haben will, greift ohnehin zur AMG-Variante des EQE. Doch dafür sind dann nochmals happige 43 600 Franken mehr fällig.

Ein Blick ins Portemonnaie

Der EQE ist natürlich nicht günstig. Doch der Preis ab 77 000 Franken ist absolut fair für das, was man erhält. Klar, mit dem einen oder anderen Extra steigt der Preis sofort, trotzdem ist er auch nach der individuellen Konfiguration in Ordnung. Der EQE hat alles, was ein elektrisches Auto braucht. Von daher ist er wohl zurzeit einer der besten Stromer auf dem Markt.

Fazit

Ja, man muss sich wirklich fragen, ob der Griff zur elektrischen S-Klasse notwendig ist. Der EQE macht einen ausgezeichneten Job und dies noch zu einem deutlich attraktiveren Preis.

Text: Dario Fontana
Bilder: Vesa Eskola

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