Schon gefahren

DS 9 – fast wie einst

Mit dem DS 9 wollen die Franzosen zurück zu alter Grösse. Ob das möglich ist?

Veröffentlicht am 25.02.2022

Ach, die Limousine. So langsam verschwindet sie von unseren Strassen. Zwar gibt es noch einige wenige Märkte, auf denen sie durchaus geschätzt wird, klar, China, aber in Mitteleuropa: eher nicht so. Dass DS Automobiles, französisches Premium-Töchterchen im Stellantis-Konzern, trotzdem eine solche Limousine als sein Top-Modell ins Rennen schickt, hat selbstverständlich viel mit China zu tun, dort sind die Franzosen gut vertreten und sehen noch Möglichkeiten, weiter zu wachsen. In der Schweiz wird es der neue DS9 allerdings eher schwer haben, eben, Limousine. Und die noch vorhandene Konkurrenz, A6-Audi, 5er-BMW, E-Mercedes ist nicht wirklich schlecht aufgestellt.

Es ist alles: edel

Mit einer Länge von 4.93 Metern spielt der DS9 wirklich in der Oberklasse. Und übertrifft alle seine (vielen) technischen Brüder, die ebenfalls auf der EMP2-Plattform basieren, deutlich. Besonders der Radstand von 2.90 Metern ist bemerkenswert. Zum Vergleich: der auch nicht winzige Peugeot 508 bringt es auf 2.79 Meter.

Das Zusatzmass kommt allein den Fondpassagieren zugute. Die dürfen es sich dann auch gleich in einer Art Lounge gemütlich machen. So nennt zumindest der Hersteller den Fond des DS9. Mit beheiz- sowie belüftbaren Sitzen, die zudem über eine Massagefunktion verfügen, soll der Aufenthalt während der Fahrt so angenehm wie möglich gestaltet werden. Auch der Materialmix passt, für alle Insassen. Aufwändig vernähtes Nappaleder auf den Sitzen, handschmeichelndes Alcantara am Dachhimmel, dazu Dekorelemente aus Kristallglas und Perlenstickereien. Der Innenraum des DS9 ist wirklich beeindruckend.

Es ist alles: ruhig

Zudem sorgt eine besondere (oder eben besser: keine) Geräuschkulisse für eine angenehme Atmosphäre sorgen. Neben einer besonders steifen und extra gedämmten Karosseriestruktur sorgen doppelte Verbundglasscheiben für Ruhe. Ein Focal-High-End Lautsprechersystem kümmert sich um guten Ton über 14 Kanäle. Nett ist auch das Positionslicht dort oben in der C-Säule, das an die DS von einst erinnern soll.

Doch auch der DS9 wäre seines Namens nicht würdig, wenn nicht auch das Fahrwerk besonderem Komfort verpflichtet wäre. Zwar ist die Hydropneumatik von einst Geschichte, doch mit der DS Active Scan Suspension liefern die Franzosen ein System, das ebenfalls als Referenz gelten kann. Eine Kamera erkennt Schlaglöcher und Unebenheiten vor dem Fahrzeug und stellt jeden Dämpfer individuell darauf ein. Dazu kommt eine Rücksprache mit Neigungs- und Beschleunigungssensoren, um den DS9 optimal über die Verwerfungen schweben zu lassen.

Es ist alles: gut

Nach ersten Probefahrten auf den nicht immer guten südfranzösischen Strassen sei vermeldet: Ja, das funktioniert ganz gut. Es ist jetzt aber nicht so, dass wir gleich vor Ehrfurcht erstarren müssten. Und so wie früher ist es definitiv auch nicht. Dafür gibt die Lenkung gute Rückmeldung - und ja, man kann es durchaus auch fliegen lassen (dazu kommen wir dann gleich).

Bei diesen Probefahrten standen uns ein 250-Pferder-PHEV mit nur Frontantrieb sowie das Top-Modell mit Allradantrieb mit 360 PS Systemleistung zur Verfügung. Letzterer dürfte in der Schweiz stärker nachgefragt werden, eben, 4x4, mit zwei Elektromotoren (hinten 113 PS, vorne 110 PS) und dem klassischen 1,6-Liter-Vierzylinder vorne (200 PS), und drückt über eine sehr sanft schaltende 8-Gang-Automatik satte 520 Nm maximales Drehmoment ab. Und soll rein elektrisch bis zu 50 Kilometern können, dank einem 11,9-kWh-Akku.

Es ist alles: nicht so günstig

Vor allem aber: Er macht tatsächlich Fahrfreude. Drückt man das Fahrpedal beim Kurvenausgang gut durch, dann spürt man von der Hinterachse zusätzlichen Schub, so eine Art Spass-Booster, der den Wagen aus der Biegung drückt. Es hat fast so ein bisschen etwas von Achterbahnfahren - was man so einer Limousine irgendwie gar nicht zutraut. Die 5,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h sowie die 250 km/h Spitze eigentlich auch nicht. Was man von Verbrauchsangaben wie den 2,1 Litern/100 km gemäss WLTP halten will, darf man selber entscheiden.

Der Basis-Preis für den ebenfalls erhältlichen 225-PS-Benziner liegt bei 63'700 Franken - das zeigt schon auf, dass sich der DS9 eindeutig im Premium-Bereich bewegt. Für das Top-Modell, den E-Tense 4x4 360, werden dann 78'900 Franken fällig. Das scheint viel Geld für einen Vierzylinder, doch die Ausstattung ist dann schon sehr komplett - was man nicht von allen Mitbewerbern behaupten kann. Ob das allerdings schon reicht zum durchschlagenden Erfolg, muss sich zuerst noch weisen.

Text: Peter Ruch
Photos: Vesa Eskola

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