Studien

Der Blick in die Glaskugel

Genf ist seit jeher berühmt für seine Showcars, die mal genauer, mal weniger exakt die Zukunft voraussagen. Nebst den verbliebenen Designstudios sind die grossen Hersteller ebenso bemüht, dem Kunden zu zeigen, dass man «am Ball» bleibt. Weil die Messe nicht stattfindet, werden die Studien online enthüllt. Wir müssen uns daher auf die Fotos und die – teils dürftigen – Pressetexte stützen.

Veröffentlicht am 03.03.2020

Hyundai Prophecy

Mit ultralangem Radstand und kurzem Überhang haben sich die Hyundai-Designer quasi ihr ultimatives Automobilformat geschaffen. Der Prophecy zeichnet sich durch glatte Oberflächen und hohe Funktionalität aus. Ein Kennzeichen ist die klare One-Curve-Konturlinie, die sich in minimalistischer Zurückhaltung von der Frontpartie bis zum Heck erstreckt. Dies soll die Zeitlosigkeit des Designs mit eleganter Bootshecklinie unterstreichen.

Das transparente Acrylmaterial gewährt einen Blick auf das technische Innenleben. Dieses Design-Element findet sich beim Spoiler, den Heckleuchten und beim Kameraüberwachungssystem. Es lenkt die Aufmerksamkeit auf die funktionale Schönheit der Komponenten. Die Pixelleuchten verweisen auf den Energievorrat, den die Batteriezellen aufweisen. Pixelleuchten werden auch bei künftigen Hyundai-Modellen als charakteristisches Designelement zum Einsatz kommen.

Joystick statt Lenkrad

Statt eines herkömmlichen Fahrzeuginnenraums erwartet die Passagiere ein luxuriöser, komfortabler Lifestyle-Bereich, und selbstredend kommt auch autonomes Fahren zum Einsatz. Anstelle eines Lenkrads sorgen Joysticks in der Mittelkonsole und an der Türverkleidung für ein ganz neues Fahrgefühl. Letztendlich soll diese moderne Mensch-Maschine-Schnittstelle für mehr Sicherheit bei den Passagieren sorgen – was allerdings noch zu beweisen wäre.

Beim Prophecy scheint es sich wirklich um eine reine Designstudie zu handeln, denn über technische Details, Dimensionen oder weitere interessante Features lässt uns die Pressemeldung leider im Unklaren. Hier müssen die Fotos für’s erste genügen…

Hyundai Prophecy

Hyundai Prophecy

Renault Morphoz

«Kommen Sie näher, das Auto gibt Ihnen ein Zeichen. Es hat Sie erkannt und empfängt Sie. Nehmen Sie Platz und geniessen Sie eine ganz neue Erfahrung: Sie sitzen in einem intelligenten und modularen Fahrzeug, das alle Grenzen erweitert. Ein massgefertigtes Fahrzeug, das sich an alle Einsatzmöglichkeiten anpasst, sowohl an die des Alltags mit Kurzstreckenfahrten als auch an die, die eine grössere Reichweite erfordern. Ein Personenwagen, den Sie mit anderen teilen können, wenn Sie ihn nicht selbst nutzen. Ein gut durchdachtes Fahrzeug, das sich in vielfältige Ökosysteme integriert und den Austausch fördert. Ein autonomes Fahrzeug zum Fahren und Gefahrenwerden.»

So lautet der selbstbewusste Pressetext von Renault zur Studie Morphoz auf der modularen Elektroplattform CMF-EV der Allianz um verschiedene Konfigurationsmöglichkeiten hinsichtlich Leistung, Kapazität und Reichweite sowie Innenraum und Kofferraumvolumen darzustellen. Mit seinem Design, den Details, seiner Innenausstattung vermittelt die Studie auch eine Vorstellung der neuen Familie von Elektromodellen von Renault, die in den kommenden Jahren eingeführt werden soll.

Länge und Leistung sind variabel

Die 40-kWh-Batterie des im City-Modus immerhin 4,4 Meter langen Morphoz liegt im Wagenboden. Im Travel-Modus wächst die Karosserie auf 4,8 Meter, der Radstand von 2,73 (City) auf 2,93 Meter, die Batterien können bis 90 kWh aufgestockt werden. Die Breite bleibt bei üppigen und nicht sehr citytauglichen zwei Metern. Je nach Version soll die Reichweite zwischen 400 und 700 Kilometer betragen. Wird das Auto nicht genutzt, dient es als mobile Ladestation für Elektrobikes oder zur Beleuchtung der Umgebung, als Stromspeicher für alle möglichen Zwecke.

Ein schwenkbarer Beifahrersitz

Der Innenraum verfügt über einen «Teilen»-Modus, in dem sich die Mitfahrer – nicht aber der stets in Fahrtrichtung sitzende Fahrer – einander zugewandt austauschen oder gemeinsame Aktivitäten unternehmen können. Dazu wird der vollkommen symmetrisch geformte Beifahrersitz von vorn nach hinten geschwenkt, bis er sich entgegen der Fahrtrichtung mit Blickrichtung zum Heck befindet. Die Fahrgäste nutzen dann die Mittelkonsole und ihren grossen Bildschirm und sollen sich wie in einem Wohnzimmer fühlen.

Wechselt der Morphoz vom City-Modus in den Travel-Modus, werden die Rücksitze nach hinten verschoben. Die Mitfahrer haben dann mehr Beinfreiheit. Sie können auch wie in einem Lounge-Sessel um einen Tisch herum sitzen, der durch den Bildschirm auf der durchgehenden Mittelkonsole dargestellt wird. Es ist beinahe überflüssig zu sagen, dass der Morphoz voll vernetzt ist und voll autonom bis Level 3 fahren kann.

Renault Morphos

Renault Morphos

BMW Concept i4

Weit näher an der Realität bewegt sich BMW mit dem elektrischen Gran Coupé namens Concept i4. Es soll nämlich bereits 2021 in Produktion gehen. Selbstredend ist auch der i4 einer elektrogläubigen Zukunft geschuldet. Der für den BMW i4 entwickelte E-Motor erzeugt eine Höchstleistung von bis zu 390 kW oder 530 PS und erreicht damit das Niveau eines V8-Triebwerks in aktuellen BMW Modellen mit Verbrennungsmotor – zumindest bis die Batterie zur Neige geht. Bestandteil der fünften BMW eDrive Generation ist daher ein neu konzipierter Hochvoltspeicher mit aktuellster Batteriezellen-Technologie. Die für den BMW i4 entwickelte Ausführung des Akkus zeichnet sich durch eine extrem flache Bauweise und eine optimierte Energiedichte aus. Bei einem Gewicht von rund 550 Kilogramm weist er einen Energiegehalt von rund 80 kWh auf und erzielt eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern im WLTP-Zyklus.

Hans Zimmer komponiert Elektrosound

Gemäss BMW-Pressetext soll der Charakter des Concept i4 nicht nur durch sein Design, sondern auch durch seinen besonderen Sound geprägt werden. Unter dem Markennamen von «BMW IconicSounds Electric» hat der weltberühmte Komponist Hans Zimmer den Klang gemeinsam mit BMW Sound Designer Renzo Vitale entwickelt. BMW IconicSounds Electric verleiht den Elektrofahrzeugen von BMW zusätzliche emotionale Tiefe, indem ihr Charakter durch individuelle Klänge und Sounds für den Fahrer erlebbar wird. Der Sound des BMW Concept i4 soll die Vergangenheit und die Zukunft der Marke zusammen bringen und ein Gefühl von Leichtigkeit und Transparenz vermitteln. Er reicht von den Fahrgeräuschen im Experience Mode «Core» bis hin zu intensiveren Klängen im Sport-Modus. Ebenso Teil der gestalteten Klangwelt sei die akustische Begleitung des Türöffnens wie auch das akustische Startszenario, sagt BMW.

Riesige Nieren

Die Frontgestaltung des BMW Concept i4 zeigt die Nieren in neuem Erscheinungsbild. Sie werden also auch im elektrischen Zeitalter nicht aufgegeben und erhalten eine neue Funktion: Da keine Kühlung für einen Verbrennungsmotor nötig ist, dient die Niere nun vor allem als «Intelligenzfläche», in der Sensoren verbaut sind. Ein nur diesem Modell vorbehaltenes Muster zeigt die dahinterliegende Technologie. Das klassische Vieraugengesicht findet sich hier in einer reduzierten Interpretation. Je zwei freistehende LED-Leuchtelemente pro Seite integrieren alle erforderlichen Leuchtfunktionen.

Minimalistisches Cockpit

Typisch BMW: Das Interieur stellt im Gegensatz zu manch anderer Studie nicht das autonome sondern das Selbstfahren in den Fokus. Im vorderen Bereich konzentriert sich daher alles auf den Fahrer. Informations- und Kontrolldisplays werden zu einer einzigen, zum Fahrer hin geneigten Anzeigeneinheit zusammengefasst. Die hochwertige Displaytechnik mit entspiegeltem Glas ermöglicht zudem den Verzicht auf eine Hutze zur Abschattung der Anzeigen und lässt den Cockpitbereich dadurch besonders aufgeräumt und luftig wirken.

Akzentleisten in warmem Goldbronze mit Farbverlauf zu Chrom verleihen dem Innenraum eine hochwertige Note. Das Bedienzentrum Mitte kommt ohne Gangwahlschalter aus und besitzt nur noch einen Schieberegler für die Wahl des Fahrprogramms. Bedienelemente wie der iDrive-Controller oder auch die Sitzmemory-Tasten in den Türen sind mit Kristallglas ausgeführt. Auf den Sitzen rundet die Stoff-Leder-Kombination aus Mikrofaser mit Liniengrafiken sowie olivenblattgegerbtem Naturleder den nachhaltigen Anspruch an das Interieur ab.

Im Fond eröffnet sich den Mitfahrern gemäss Pressemeldung ein grosszügiger Raum mit für Coupé-Verhältnisse aussergewöhnlicher Kopf- und Beinfreiheit. Integrierte Kopfstützen vorne wie hinten betonen die Sportlichkeit. Die Rücksitze führen die horizontale Aufteilung aus der Tür grafisch weiter und schaffen damit im Fond eine Art Lounge Feeling. Auf dieses dürfen sich zukünftige Besitzer also schon mal freuen, wenn im Werk München, in das rund 200 Millionen Euro für die i4-Fertigung investiert, die Produktion demnächst anläuft.

BMW Concept i4

BMW Concept i4

Dacia Spring Electric

Die bodenständigen Entwickler von Dacia wollen natürlich auch nicht zurückstehen und präsentieren das für Genf vorgesehene erste Elektroauto der Marke, das 2021 in den Markt eingeführt werden soll. Das fünftürige Kompakt-SUV Spring Electric verzichtet auf Designspielereien. Zu den äusseren Merkmalen zählen die erhöhte Bodenfreiheit sowie die Front- und Heckgestaltung mit typischen Crossover-Elementen. Dazu kommen Voll-LED-Scheinwerfer. Sie setzen sich aus den Hauptscheinwerfern sowie vier weiteren, darunter angeordneten Leuchtelementen zusammen. Die Rücklichter sind ebenfalls durchgängig in LED-Technik ausgeführt. Ihr Design in Form eines doppelten „Y“ gibt einen Ausblick auf die zukünftige Lichtsignatur der Marke.

Hauptsächlich für Nahverkehr

Weitere Akzente setzt beim Showcar die graue Pastelllackierung mit orangefarbenen Dekorelementen. So sorgen Radläufe, Dachträger und seitliche Protektoren für markante Farbkontraste. Technisch dürft der Spring Electric auf dem Konzern-Elektriker Renault Zoe aufbauen. Die Reichweite wird aber mit nur bescheidenen 200 Kilometern angegeben, die gesamte Technik sei zudem sehr wartungsarm ausgelegt. Das deutet darauf hin, dass der Spring Electric eher für den Stadt- und Kurzstreckenverkehr, für Car Sharing und Kurierdienste vorgesehen ist und nicht für lange Fahrten.

Dacia Spring

Dacia Spring

Text: Stefan Fritschi

Fotos: Hersteller

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